Wir sind Opfer. Konnten wir schon im April nicht nach Frankreich, müssen wir jetzt auch auf unserer Schiffsreise von Moskau nach St. Petersburg verzichten. Es bleiben nur noch ganz bescheidene Reisemöglichkeiten, denn auch die Reise nach Deutschland, zum Geburtstag einer alten Freundin aus Frankreich, ist nicht mehr möglich.
Doch bleiben wir beim Coronavirus und bei der Bewältigung der Pandemie. In diesen Tagen wird immer deutlicher klar, dass wir jahrzehntelang auf Pump gelebt haben. Dass wir nach dem Kalten Krieg zu lange und zu sehr daran glaubten, dass nun alles gut werde. Dass der internationale Handel, die Vernetzung, die Überlegenheit des kapitalistischen Systems zum Teil Fata Morganas sein könnten, glaubten lange Zeit nur die Wenigsten. Man wähnte sich am Beginn eines goldenen Zeitalters. Ausgeblendet wurde die Situation der Abgehängten, die wachsende Gefahr durch die einsetzende Mobilität für Klima und Gesundheit.
Zum Beispiel das Gesundheitswesen. Wieso glaubten wir lange Zeit unbesehen, dass die moderne Medizin in der Lage sein sollte, allen Gefahren zu trotzen? Man wusste schon längst, das es weiterhin pandemieartige Epidemien gab, wie HIV (achtziger Jahre), Ebola und Tuberkulose in Afrika oder SARS-CoV1 und Mers in Asien. Ausserdem wissen wir eigentlich ebenfalls seit langem, dass antibiotikaresistente Keime laufend nachgewiesen werden und wurden. Ausserdem: Gegen neue Viren gibt es in der Regel keine direkte Therapie. Hier helfen nur indirekt wirkende Medikamente und Impfungen. Und die müssen erst entwickelt werden. Wird der Organismus von einem neuen, ihm unbekannten Virus befallen, ist er eben erst einmal hilflos.
Szenenwechsel: Viele Menschen haben Angst vor den angekündigten Lockerungen. Aber: Man hat vielerorts vergessen, dass der Lockdown nicht dazu dient, dass niemand mehr angesteckt wird, sondern dazu, dass die Pandemie so langsam verläuft, dass das Gesundheitswesen leistungsfähig bleibt. Und so dürfen wir uns weiterhin Lockerungen leisten, nur ein Ansteigen des Reproduktionswertes deutlich über 1.0 würde neue Einschränkungen rechtfertigen, nicht aber die täglichen Neuansteckungen.
13.05.2020
Die Jungen tun mir leid! Ihre Resilienz und Risikotoleranz sind bescheiden! Wir Alten haben sie nicht gut genug trainiert….
Das ist mein Eindruck, wenn ich all die Kommentare und redaktionellen Beiträge lese, die von Jungen geschrieben werden. Nein, diesmal geht es mir nicht um technische Details, sondern viel mehr um die Grundhaltung, die Angst, die individuelle Angst, angesteckt und krank zu werden. Verflüchtigt hat sich die Grundidee des Lockdowns, nämlich die Spitäler nicht zu überlasten. Geblieben ist die Angst vor dem Virus und der Ärger über die Alten, die das Chaos verursacht hätten. Was nicht stimmt, wir „Alten“ hatten ja auch nichts dazu zu sagen! Zudem: Das Virus ist für Junge ja nachgewiesenermassen nicht schlimm. Also was soll’s?
14.05.2020
Nach: Jedem Tierchen sein Pläsierchen:
Jedem Forscher seine Studie
Jedem Dokter seinen Schocker
In jedem Laden eine Maske
Jedem Alten seine Tasse
Jedem Schreiber seine Leier
Jedem Abstand seine Masse
Ich glaub, dass ich Corona hasse!
Ich schliesse diesen Abschnitt ab mit der Bemerkung vom 10. Juni:
Wieder ist ein Monat vorbei. Ich war es reichlich müde, weiter zu berichten. Das ist sonst nicht so meine Art, aber diesmal hat’s mich erwischt. Diese dauernde Berieselung mit Corona – Fallzahlen, zweite Welle, Masken, Schule, Kritik am Bundesrat – hat mich dermassen ermüdet und ernüchtert, dass ich einfach aufgehört habe zu berichten. Wer weiss denn schon, was passiert wäre? Es ist doch müssig, dauernd Länder zu vergleichen und Schelte zu verteilen, Hitparaden der Fallzahlen und der Toten mit Cov-2 Infektion zu erstellen.