Das lange Warten im Juli

9.07.20

Jetzt wären wir ja in Frankreich, in der schönen Sommerhitze. Nicht, dass es nicht auch bei uns in der Schweiz schön und sehr warm wäre, das nicht. Aber so einfach reisen können, das hätte schon was für sich. Aber es ist ja nicht nur der Rücken von Theres, der einem das Reisen vermiest, es ist auch Corona. Ich nenne es nur noch C*. Corona, Covid-19, CoV-2, sars-cov-2, alles geht mir auf den Geist.

Also: C* ist momentan mein Nervtöter. Kurioserweise habe ich den Lockdown deutlich besser überstanden als nun die Lockerungen. Diese sind oft echt mühsam, ein Hüst und Hott. Maske macht gesund, Maske macht krank, Maske auf, Maske ab: Nur schon das. Wenn ich in der Stadt bin, frage ich mich schon, ob ich in der Laube laufe oder ausserhalb. Und ob ich Tram oder Bus nehme, mit Maske auf, dann: Maske unters Kinn, oder einen Abfallkübel suchen und Maske entsorgen, oder Maske in den Rucksack, zum zweiten Gebrauch? Wer hat schon Einweg-Handschuhe dabei, um die Maske korrekt zu handeln? Und wenn ich pro Tag zweimal den Bus nehme, dann 2 Masken? Wenn alle Schweizer Pendler, habe ich geschätzt, zwei Masken pro Tag brauchen und es sind doch, bescheiden gerechnet, regelmässig mindestens 1 Million täglich, gibt das 2 Millionen Masken pro Tag, in einem Monat also 50 Millionen, pro Jahr mehr als eine halbe Milliarde! Und das ist sehr bescheiden gerechnet. Und: Da die Menschen, mit Ausnahme des Gesundheitspersonals, Masken konsequent falsch bedienen – oft zwangsläufig – übersteigt der Nutzen den Schaden um ein Vielfaches. 

Und dann: Mal darfst du in die Beiz ohne etwas, mal musst du sagen, wer du bist, mal darfst du ins Ausland, dann plötzlich gibt es wieder Quarantäne; mal kaufst du ohne Maske ein, dann wieder mit, mal dürfen sich 300 Personen treffen, dann wieder nur 100. Dann dürfen 1000 Personen demonstrieren, aber nur fünf an einem Tisch sitzen, ausser sie sind eine Familie, da dürfen acht. Beim Fussball sind 300 erlaubt, aber Musik im Freien ist verboten. Händeschütteln? Umarmen? Alles in Frage gestellt: Man weiss nicht mehr, wie man sich zwischenmenschlich verhalten soll. Auf dem Bahnhofperron sind Masken nicht verordnet, im leeren Zug aber schon.

Chaos perfekt, das geht mir auf den Geist. Drum sitzen wir die meiste Zeit auf unserer Terrasse, empfangen Gäste (höchstens vier, man weiss ja nie, wie empfindlich sie sind), versuchen Kontakt zu halten schütteln verschämt Hände, umarmen scheu Kinder und Enkel.

Manchmal geniessen wir aber auch unser Sankholz, dort sind die Menschen plus minus noch normal, und die Sonne scheint den ganzen Tag. Ein wenig wandern tun wir auch.

Und mein Auge sieht wieder bestens. 

Doch es fehlt die Freiheit!

15.07.20

Wieder die Corona App. Die swiss-covid-app weiterhin trifft auf Skepsis. Plötzlich müssen die Macher zugeben, dass es doch nicht ganz so unwahrscheinlich sei, dass Google oder Apple auf Daten zugreifen könnten. Ja, logisch, die wissen ja sowieso, wo wir sind und was wir machen. Dennoch: Sie können die App-Daten speichern und mal abwarten, was damit möglich wird, wenn deren genug zusammen gekommen sein werden. Ich bin sehr skeptisch. Ausserdem: Man muss ja die App heruntergeladen haben, um erkennbar zu sein. Das mochte ja gestimmt haben, als es noch Tausende von Ansteckungen gab. Aber gegenwärtig, mit maximal 100 Ansteckungen, die vornehmlich Party-Gäste betreffen, bringt das nichts. Dazu kommt, dass sich ein Mensch in der Nähe hat testen lassen müssen, bevor er in der App auffällt. Das ist doch ein Akademiker-Gadget!

Und dann die Maskenplage: Sie macht Müll und produziert Schadstoffe, weil der ÖV nicht mehr genutzt wird. Dennoch sind die Masken ein notwendiges Übel. Erstens nützen sie sicher vor Ansteckungen, wenn Angesteckte sie tragen. Und zweitens sind sie ein wichtiges Symbol für die Unwägbarkeiten von C*.

21.07.20

Je nun, es geht weiter. In der Stadt laufen reihenweise kuriose Gestalten herum, denen eine Maske um den Hals schlenkert. Ausnahmsweise gibt es auch Menschen, die wirklich eine Maske tragen.

Aber im Ernst: Wie gehen wir mit dieser Pandemie weiter um? Wird die Zukunft zeigen, ob Länder wie Schweden und Holland weniger Schaden erleiden? Oder wir?

Erstaunlich ist immer wieder, wie ängstlich vor allem junge Menschen sind. Sie wurden aus ihrer versicherten Selbstverständlichkeit gerissen. Viele haben eine so umfassende Verunsicherung  noch nie erlebt, an vielen ist ja auch die Finanzkrise spurlos vorübergegangen.

Wir Älteren, vor allem die noch im Krieg geborenen, haben eben doch noch viel weiter unten angefangen, das merkt man jetzt. Diese selbstverständlichen Sicherheiten des 21. Jahrhunderts haben wir nicht verinnerlicht, eine gewisse Gelassenheit ist uns eigen, die die Jungen oft als Nachlässigkeit und Verantwortungslosigkeit auslegen. Auch Dinge wie Maskentragen. Akzeptieren wir achselzuckend. Das ist nicht zu verwechseln mit Sorglosigkeit. Es ist auch so, dass unser Fragezeichen zu den Reaktionen der Politik, die nun sehr lange Zeit europaweit die Gesundheit, und zwar die vollständige, totale, risikofreie Gesundheit aller Europäerinnen und Europäer, über alles gestellt, und alles andere im Leben dabei vernachlässigt haben. Das ist eine Tatsache, die uns gewaltige Probleme beschert haben. Der Median der Verstorbenen mit COVID-19 Hintergrund liegt bei 84 Jahren. Das ist auch der Median der Lebensdauer der Europäer.

Unbestritten ist, dass COVID-19 eine schlimmere Krankheit ist als eine „normale“ Grippe, wenn auch die Übersterblichkeit nicht stark überdurchschnittlich ausgefallen ist. Aber der Lockdown muss schon berücksichtigt werden. Aber nun, da man das Virus einigermassen kennt, dürfte man schon ein wenig mutiger werden. China meldet, dass es wegen einem einzigen Fall eine ganze Stadt abgeriegelt hat. 

Und das Gegenteil sieht man in den USA: Dort spricht man vom China-Virus, dass nicht viel mehr als eine Grippe verursacht.

Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber nachdenken darf man doch schon noch!

22.07.20

Die Zeit vergeht schnell. Schneller, als man denkt. Die Tage werden zu Wochen, Monaten, Jahren. Mir bleibt nicht mehr so viel Zeit. Ist es vielleicht deswegen so, dass ich einfach immer mehr Dinge noch loswerden muss? Und muss ich? Die Pandemie zeigt auf, wie langweilig das Leben sein kann, wenn man nicht einfach alles machen kann, was man möchte. Dass man sich nicht dauernd selbst bespassen kann. Dass man auch es einfach mal aushalten muss, „es“, diese Langeweile, dieses Zuhause Bleiben, dieses Warten. Dieses Verzichten auf Spaziergänge in der Stadt, Busfahren, Zugreisen, weil es ungemütlich ist, nicht nur das Maskentragen, einfach nur das allgemeine Gefühl. Es ist nicht gemütlich, es ist nicht befriedigend, es bringt einfach nichts. 

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