24.07.20
Was jetzt? Jeden Tag 100+ neue Fälle. Zweite Welle? Verunsicherung notwendigerweise! Gestern zum ersten Mal in Maske im ÖV. Auf einem Schiff auf dem Bielersee. Auf der Heimfahrt von einem Familientreffen. Mit vielen Risikopersonen.
Ich bin immer noch der Meinung, dass das Tragen von Masken, wie es täglich im ÖV zu sehen ist, nichts bringt, wenn nicht sogar die Ansteckungsgefahr verschärft. Man sollte sich dessen bewusst sein: Wir haben grosses Glück, dass die Virusträger dünn gesät sind. Ich glaube einfach nicht, dass wir mit diesem nachlässigen Maskentragen im ÖV etwas Nachhaltiges bewirken. Abstand und Hygienemassnahmen dagegen schon. Hoffentlich halten sich die Menschen weiterhin vor allem daran! Diese Masken, die an einem Ohr hängen, unter den Hals geschoben sind, die Nase freilassen: Eine Katastrophe. Wir sind und bleiben kein Maskenland!
Ansteckungen in Lagern, in Klubs, in Discos: Das ist die wahre Gefahr.
Am 27.07 fahren wir per Zug und Bus nach Sils. Zum ersten Mal unter den neuen Maskenbedingungen. In der rhätischen Bahn sind wir im Speisewagen, da herrschen noch (fast) normale Verhältnisse und das Essen ist fein. Im Bus nach Sils dann wird das Maskentragen schon fast zur Gewohnheit. In den Restaurants beginnt das Personal nun auch damit, sich zu schützen.
Man gewöhnt sich ja an alles. Zuckt mit den Schultern und resigniert. Nein, so schlimm war es dann auch wieder nicht. Und es hat ja sicher einen Lerneffekt, dieses Maskentragen.
19.08.20
Irgendwo habe ich gelesen, das das Leben im Alter plötzlich ein rasendes Tempo annimmt. Es fliegt nur so vorbei. Genau das denke ich, wenn ich diese Tagebucheinträge hervorhole. Die Corona Pandemie, mein Logbuch: Immer ist schon wieder ein Monat vorbei, wenn ich es öffne! Und ich habe das Gefühl, ich hätte gerade erst vorgestern etwas notiert….
Die Zahlen der positiv Getesteten steigen kontinuierlich an. Wir liegen zwar immer in der Gegend von 3 bis 5 % positiv Getesteten – die Zahl der Positiven hängt eng zusammen mit der Testfrequenz – aber dennoch: verunsichert sind wir alle!
Heute sind es über 300 Neuansteckungen. Auch wenn die Fälle nicht mehr so gravierend sind, niemand sagt uns, wie es in Zukunft aussehen wird.
Dennoch halten 19 Unentwegte von uns die jährliche Klassenzusammenkunft ab. Wir versuchen, in Heiru Scheiblis Gartenbeiz in St. Niklaus bei Biel ein wenig Normalität zu zelebrieren.
28.08.20
Wir sind im Sankholz, in „Sicherheit“. Denn nun liegt die Schweiz wieder bei über 300 Anstackungen pro Tag. Das ist mehr als irgend jemand irgendwann gedacht hat. Berset hat gemeint: „Wir können Corona“. Und Salathe: „Im Moment sieht es wirklich, wirklich gut aus.“
Aber es sieht eben nicht gut aus!
Nein, es es bleibt bei über 300, bald fast 400 Ansteckungen in unserem Land. Und es gibt überall Fälle. Ich denke, wir haben es nicht im Griff. Wir können eine Pandemie nicht beherrschen in diesem Land. Es ist nach wie vor ein grausiges Durcheinander. Jeder, ob er eidgenössischer, kantonaler oder kommunaler Politiker, Journalist, VirologIn oder Epidemiologe ist, weiss es ein wenig besser als der Vorredner. Nun kommen auch noch die IT-Leute dazu. Schlimm. Die Covid-App funktioniert nicht, aber niemand will es wahrhaben. Und natürlich sind immer die anderen schuld.
Wir werden es erst im Griff haben, wenn man impfen kann und ein Medikament hat.
Aber vor lauter Corona gehen andere wichtige Dinge in unserem Land einfach unter. Wir haben nicht mehr den Elan, richtig über Abstimmungsvorlagen zu streiten, wir sind irgendwie ein gelähmtes Land. Ich staune immer wieder, wie schnell das gehen kann. Man ist wirklich irgendwie fatalistisch geworden.
Wir haben es nicht im Griff.
Auch ich bin müde, auch ich nehme so langsam nichts mehr so wichtig, akzeptiere Dinge, die ich früher nie akzeptiert hätte, oder zumindest stärker hinterfragt. Ich mag nicht mehr. Es ist alles so langweilig.
Vielleicht ein neues Projekt? Nicht nur Schreiben, oder auch Bilder, Gedichte? Auf alle Fälle bin ich von der Rolle.
Ich habe es nicht im Griff.
Momentan bin ich in der Altersfalle gefangen. Und weiss nicht, wie ich da wieder rauskomme.
Ich weiss einfach nicht mehr, was ich machen soll. Es gibt nichts mehr, ausser so doofen Ersatzbefriedigungen. Ob das auch mit der allgemeinen Resignation zu tun hat oder nur mich betrifft, weiss ich einfach nicht. Wieviel hat das mit der Pandemie zu tun?
Aber meine Begabungen sind nicht mehr gefragt. In der Nacht habe ich Panikattacken, ich kann nicht mehr richtig schlafen.
Bald kommt der September. Ich kann endlich wieder mal meine Schwester Chrige im Altersheim besuchen. Sie kennt mich und Regina nicht mehr. Sieht mich an und sagt: „Du gleichst Pe, aber ich weiss nicht mehr, wer Pe ist.“ Ich versuche vergeblich, ihr zu erklären, dass ich ihr Bruder bin. Es geht nicht mehr. Sie ist weit weg!