Hommage an meinen verstorbenen Jugendfreund Georges Meyer
Lieber Georges,
Nun bist Du also gegangen.
Doch mehr als die Nachricht von Suzanne hat mich überrascht, wie viele Erinnerungen sie in mir geweckt hat an die Zeit unserer Freundschaft. An Deine oft seltsamen Ideen – zum Beispiel, als Du einmal unbedingt ein paar Tage in einer Höhle hinter dem „End der Welt“ verbringen wolltest, und ich im Zelt nebenan schlafen musste, zur Sicherheit und zur Anlieferung von Essen und Getränken. Es war Dir ein Bedürfnis zu erfahren, wie sich das Leben der Höhlenbewohner angefühlt hätte haben können.
Wie Du mir klassische Musik nahegebracht hast: Du hast mir im Wohnzimmer in Magglingen Platten abgespielt und erklärt, wie man sie verstehen und geniessen kann. Ich musste ruhig dasitzen und zuhören, mit der Zeit fand ich es doch recht spannend.
Kochen konntest Du auch. Tajine zum Beispiel, welches man am Boden sitzend mit den Händen ass. Und dass man beim Fondue alle Zutaten, auch das Maizena, von Anfang an ins Caquelon geben kann, Du meintest, dass die beim Gerber Fondue das ja auch so machen würden… Ich mache es noch heute so, es klappt immer. Heutzutage steht es ja sogar oft in den Rezepten auf den Käseverpackungen so.
Und wenn wir grad beim Essen sind: Du hast Deinem Göttibuben, unserem Sohn Kaspar, die Begeisterung fürs Pilze sammeln beigebracht, Experte, der Du warst.
Fast 10 Jahre lang haben wir zusammen das „Podium der Jungen“ im Bieler Tagblatt gestaltet. Wir genossen dabei im Rahmen dieser gutbürgerlichen Zeitung ziemlich viel Narrenfreiheit: Der alte Verleger Gassmann soll einmal im Lions Club zu Kritik an Stil und Inhalt des Podiums gesagt haben: „die Beiden sollen sich nur noch ein paar Jahre ihre linken Hörner abstossen, ihre Väter sind ja beide bei der FDP, das kommt dann schon gut mit denen“. Tatsächlich haben wir ja ein ganz normales bürgerliches Leben geführt, ein wenig links zwar, aber im Rahmen!
Grosse Themen waren für Dich die Gesellschaft, Du hast bereits im Herbst 1966 im Podium eine grosse Debatte über Homosexualität losgetreten. Drei Wochen lang füllten die Reaktionen auf den provokanten Artikel über Homosexualität unsere Seite. Ich hatte es ab 1968 eher mit dem Umweltschutz. Daneben gab es aber auch viel Kultur: So haben wir die ersten Gedichte von Ernst Burren veröffentlicht und viel über die alternative Kulturszene in Biel gebracht.
Jeweils am Mittwoch von eins bis vier arbeiteten wir am Layout, dann, von vier bis sechs, gingen wir flippern im Falken. Du warst immer besser als ich!
Dass Du ein sehr guter und vielseitiger Musiker warst, weiss man im ganzen Seeland. Ich habe Dich von der jazzigen Seite kennen gelernt. Nachdem sich Eure Gymer-Band „Blues Spirits“ aufgelöst hatte, konnte ich das Schlagzeug kaufen und fortan haben wir bei unzähligen Hochzeiten, thé dansants, der Trüelete in Twann und sonstigen Klubanlässen gespielt, im Trio oder Duo. Du hast immer gesagt, ich sei mit meiner Batterie zu laut. Das ist mir geblieben. Dank Deinem Gemotze lernte ich, diskreter zu spielen, was mir in meinen Jahren in Frankreich viel Lob von den Musikern einbrachte, mit denen ich dort spielte. Diese haben es genossen, einen „batteur“ zu haben, der nicht allzu laut hämmerte. So hatte ich dank Dir die Ehre, mit der Band sogar einmal am renommierten Féstival du Jazz in Acte aufzutreten.
Und da noch eine kleine Anekdote aus unserer Musikerzeit:
Langnau, Auftritt an einer Hochzeit von Freunden von mir. Ich musste Dich ja immer herumchauffieren. Für Dich war damals Autofahren lernen was für Spiesser.
Unterwegs fragtest Du mich: „Wo fahren wir denn eigentlich hin?“
„Ja, aber wo in Langnau spielen wir?“
„Ou, das weiss ich auch leider nicht mehr so genau, irgendeine Beiz…“
Beredtes Schweigen Deinerseits folgte, es dauerte bis Langnau.
„Vielleicht so etwas mit Elfen, glaube ich,“ sagte ich endlich kleinlaut.
„Gut“ antwortetest Du, „dann halt da mal an, hier steht „Restaurant Ilfisbrücke“. Tönt ein bisschen wie Elfe…„
Ausladen und Aufstellen der Instrumente. Bald schon traf zu meiner Erleichterung die Hochzeitsgesellschaft ein. Es wurde ein gelungener Auftritt.
Georges, ich habe Dir viel zu verdanken. Du warst einer der wenigen Menschen, die mir entwurzeltem Zürcher den Weg in die Bieler Gesellschaft geebnet haben. Unzählige Tage und Nächte habe ich bei Euch verbracht, und die Stellvertretungen in Twann, die Du mir anvertraut hast, haben unter anderem auch meinem bescheidenen Studentenbudget gutgetan!
In den späten siebziger Jahren trennten sich unsere Wege, Du hast Dich in Twann etabliert, ich in medizinischer Forschung und Dienstleistung. Nur sporadisch haben wir uns noch gesehen, wie es halt so spielt, das Leben.
Und nun bist Du also fort, weit weg. Sicher nicht auf einer Wolke mit zehntausend Anderen. Das würde nicht zu Dir passen! Doch wo auch immer Du bist, ruhe in Frieden!
Pee