Achtung, Fremder!

Tagebuch vom 25 05 20

Es ist etwas faul in der Eidgenossenschaft.

Ja, wahrlich! 

Da haben die Stimmbürger von Weinfelden letzten Sonntag darüber abgestimmt, ob man auf dem Friedhof auf einer Wiese 70 Gräber für Muslime reservieren solle. Die Antwort war Nein. Es gibt in der Schweiz viele Friedhöfe, auf denen Grabstellen für Muslime reserviert sind. Noch nie aber wurde über diese Thema abgestimmt.

Ich zweifle generell mehr und mehr an der Ausgestaltung unserer direkten Demokratie. Im Zeitalter des Internets ist es schlicht zu einfach, die nötigen Unterschriften für ein Referendum gegen eine Entscheidung des Gesetzgebers zu sammeln. Und so kommt es dann in der Regel bei der Abstimmung heraus: Ein Drittel ist generell dagegen, ein Drittel ist nicht prinzipiell dagegen, möchte aber eine andere Lösung – und ein Drittel befürwortet die Entscheidung des Parlamentes.

So kommt es zu oft zu einer Niederlage der Legislative, das ist schade, da das Resultat nicht dem Volkswillen, sondern der Arithmetik des Abstimmungsprozederes entspricht.

In diesem Fall kommt noch die militante Ablehnung fremder Kulturen dazu. Gerne nehmen wir die Dienstleistungen fremder Mediziner (wir bilden seit Jahrzehnten nicht genügend Ärzte und Ärztinnen aus), Angestellter in Pflege, Gastgewerbe, Baugewerbe, Landwirtschaft (Erntehelfer) und so weiter in Anspruch, und ohne diese, oft aus «fremden» Kulturen stammenden, Menschen wären wir verloren. Aber ihnen ein würdiges, ihnen entsprechendes Grab zu gewähren, das geht uns zu weit.

Doch genau diese Menschen sind es, die wir brauchen. Man kann darüber diskutieren, ob wir alle Bankmanager, IT-Spezialisten, Grosshändler etc. nötig haben, die aufgrund der guten Arbeitsbedingungen zuwandern. Aber die oben genannten Menschen brauchen wir! Wir sind es ihnen ein würdevolles Leben und Sterben schuldig, auch und gerade, wenn sie muslimischen Glaubens sind!

Das sage ich auch, weil wir ja heute im Zwiespalt leben, mit der jüdischen und der islamischen Kultur so umgehen zu müssen: Nichts gegen den Staat Israel sagen dürfen, weil wir sonst des Antisemitismus verdächtigt werden, nicht für die Palästinenser einstehen dürfen, weil wir sonst schnell zum linken Block gezählt werden.

Wir sind zwar nicht bei Trumps zu Hause, aber Achtung: Mit solchen Abstimmungen heizen wir Diskussionen an, die in diese Richtung gehen: Herabwerten anderer Lebensweisen. Gelinde gesagt!

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